Sonntag, 8. September 2013

Kurt Schramm, Kaffee, Silly und Troja


Wer den letzten Blogeintrag gelesen hat, ist vielleicht ein bisschen verwundert gewesen, dass sich ein nicht ganz unbekannter Herr Schramm in Katinkas Text geschlichen hat, um Goethe und Schiller ein bisschen am „Sockelfuß“ zu kratzen. Kurze Zeit später gereichte es einer schlichten Tasse Kaffe samt Milchschaumkrönchen zur Ehre, eine kulturpolitische Debatte auszulösen. Eine Malerin meinte, wir sollten sie unbedingt einmal besuchen, wenn wir unter Kultur nicht nur Gerede meinen.
Machen wir, liebe Ute und nehmen an, dass du aufmerksam unsere Blogeinträge verfolgst.

Für uns ist Kultur der „Kitt“ der sozialen Gesellschaft, Kultur entsteht mit und durch Menschen, ist Genuss und Leid, ist Auseinandersetzung und Freude, Lachen und Weinen, Versuch und Irrtum, Erkenntnis und Staunen. Die Mittel, die der einzelne Mensch dazu für sich in Anspruch nimmt, mögen so vielfältig sein, wie die Menschen selbst. Kultur ist Kommunikation und deshalb für jeden wichtig. In der Sprache der Politik heißt das: Kultur ist für jeden zugänglich zu machen, ohne Schranken!

Eröffnungskonzert zum Tag des offenen Denkmals
 Am Freitag vor dem alljährlichen Tag des offenen Denkmals findet in meiner Heimatstadt Altenburg ein Eröffnungskonzert statt, welches auch mit der Verleihung des Denkmalschutzpreises und der Ehrung aktiver denkmalschützender und –pflegender Bürgerinnen und Bürger einhergeht. Und ich gestehe: Ich bin dann richtig stolz auf meine Stadt, mein Land, auf seine Menschen und ihr Engagement. Und ich stutze: Darf ich stolz sein, ich als Linke?
Seit einiger Zeit gehört zu dieser Überlegung ein Lied von Silly. „Vaterland“ heißt es. Es richtet sich gegen Waffenexporte. Anna Loos und Silly fragen: „Wie lieb’ ich so’n Land, mit Herz oder Verstand, blind oder mit Blick über den Rand?“ und selbst beim Schreiben dieser Zeilen bekomme ich Gänsehaut. Mehr möchte ich nicht dazu schreiben, empfehle aber unbedingt das dazugehörige Video.



Und Gänsehaut bekam ich auch zum Eröffnungskonzert zum Tag des offenen Denkmals 2013, als das JugendSinfonieOrchester der Musikschule des Altenburger Landkreises mit Beethovens „Ode an die Freude“ die Veranstaltung eröffnete  und im Laufe des Abends zeigte, welches Können und welche Leidenschaft in diesen ganz jungen Musikern wohnt. Gegen 23 Uhr war das Konzert zu Ende, die jüngeren Musiker waren todmüde und trotzdem glücklich, nachdem sie noch eine Zugabe präsentiert hatten.

Ihr Musikalischer Leiter Holger Runge war am frühen Morgen in die Brüderkirche, dem Ort des künstlerischen Geschehens, gekommen, hatte Stühle platziert, Notenpulte aufgebaut, danach Unterricht gegeben, ab dem Nachmittag mit dem Orchester geprobt und am Abend dieses großartige Konzert dirigiert. Zuvor hatte er die Konzertliteratur für sein Jugendorchester bearbeitet und „nebenbei“ als Pädagoge ermutigt, motiviert, korrigiert.

Die Bedingungen, unter denen Menschen wie er und seine Kolleginnen und Kollegen in den Musikschulen, den Jugendkunstschulen und den allgemeinbildenden Schulen arbeiten, werden wir im nächsten Plenum diskutieren. Ich weiß, dass deren Arbeit gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann- ihre Bezahlung ist zum Teil erbärmlich. Und wenn mir dann noch erzählt wird, dass eine politische Gruppierung, deren Namen ich natürlich nicht verrate, die Musikschüler zu einem Konzert einlud und sie mit der Bemerkung begrüßte: „Spielt mal nicht so lange, das Essen soll gleich serviert werden“, hoffe ich, dass das niemals seitens einer mir nahestehenden politischen Gruppierung passieren möge.

Doch bleiben wir bei den offenen Denkmalen 2013. Der Sonntag steht unter dem Motto „Jenseits des Guten und Schönen: Unbequeme Denkmale?“
Ich finde, das ist ein sehr passendes Programm, auf dessen Spuren ich mich begeben werde. Und dann füllt sich mein Bestand an Geschichten zu den Orten wieder auf: Da nennt doch der Altenburger Denkmalpreisträger die Giebelfigur auf seinem preisgekrönten Denkmal ganz despektierlich seine „Püppi“ (orig. „Viktoria“ !). Christian Repkewitz wird einen Rundgang durch das „jüdische Altenburg“ präsentieren im Wissen darum, dass es bei uns keine jüdischen Mitbürger mehr gibt. Und für das ehernamtliche Engagement von Christian kann man derzeit sogar im Internet abstimmen. Er hat es verdient!
                                                
 Engagierte Altenburger Bürgerinnen und Bürger haben es geschafft, dass die fast vergessene  Margaretenkapelle  im fast vergessenen Martinsgässchen wieder von sich reden macht und nach Entwicklungspotentialen unserer über tausendjährigen Stadt gefragt wird.

Und da ist sie wieder, die Silly-Frage: „Wie lieb’ ich so’n Land, mit Herz oder Verstand, blind oder mit Blick über den Rand?“

Ja, ich liebe dieses Land…mit Blick über den Rand und nur so.

Ich will dann schon einmal neugierig machen auf den Blick über den Rand. Am 11. September (!) reise ich unserem Schauspielensemble nach Troja hinterher. Ich bin Patin eines Projektes, welches den „ Stoff der antiken griechischen Tragödie, die das durch den Krieg hervorgerufene Leid unzähliger Menschen zum Thema gemeinsam mit Künstlern aus der Türkei und Griechenland erarbeitet“. (Zitat aus dem offiziellen Anschreiben an mich J ). Anders formuliert heißt das: Die Tragödie „DieFrauen von Troja“ von Euripides werden die Bühnen in Altenburg, Gera, Istanbul, Sirince bei Ephesos und Samos betreten. Und unser Schauspielensemble ist dabei und ich bin eingeladen, die Vorarbeiten zu begleiten. „Wie lieb ich so’n Land!“ Wenn es offen ist, zu Völkerverständigung einlädt, seine Geschichte kritisch befragt und Schlussfolgerungen zieht. Ich bin gespannt und ungeheuer aufgeregt und freue mich unendlich. Die Kultur ist der Kitt unserer Gesellschaft, behütet die verletzbare Schicht des zivilisierten Menschlichen über dem Archaischen. Kultur ist Lernen mit allen Sinnen von allen und  für alle, überall und schrankenlos.

Bei Radio Lotte in Weimar berichte ich vom Projekt.
 Ort- und zeitlos gültig ließ Euripides sein Stück mit der Aussage enden: „Wie dumm sind die Menschen, dass sie immer wieder Krieg führen, obwohl sie wissen, dass jeder Krieg für alle nur Leid bringt.“ Das könnte sogar Herr Schramm so gesagt haben.

Ich werde von mir hören lassen!
Birgit Klaubert

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