Freitag, 6. September 2013

KulturTAG in Weimar: "Goethe, Schiller und Kurt Schramm ...

... sind die Größten, die wir ham. Gezeichnet: Kurt Schramm"  Das ist übrigens eine wahrlich verkürzte Fassung des kleinen Vierzeilers mit dem schönen Namen "Eigenlob", das ein gewisser [Überraschung!] Kurt Schramm erfunden haben soll. Nur, zu eben diesem Namen findet man nichts.  Guckt man aber ein wenig tiefer in die Materie, wird Mensch feststellen, dass es einer der Vierzeiler ist, die dem Kaufmann und politisch äußerst umstrittenen Poeten Arthur Schramm IRRTÜMLICH zugeschrieben worden ist. Am Ende bleibt also: wir wissen nicht, wer es wo, wann, warum und in welchem Zusammenhang gesagt hat ...  aber es ist lustig (finde ich).

Und es passt zu Weimar.

Die "Gefahr" einer Residenz - Stadt  ist immer irgendwie, dass das kulturelle Erbe der Fürsten und Herzöge (auch in weiblicher Form) zu schwer wiegt. Dass es alles vereinnahmt und somit neue kreative Impulse im Keim ersticken lässt - nicht, weil kein Potenzial vorhanden ist, sondern schlicht und ergreifend weil das liebe Geld "erblastig" verteilt wird. Um die Balance zu halten braucht es daher immer Zweierlei: Verwaltungsspitzen mit einem kulturellen Selbstverständnis, das für ein Morgen und über den Tellerrand hinaus mitdenkt und eine Bürgerschaft, die kulturelle Impulse setzt und sich mit Pauken und Trompeten Gehör verschafft - in Kurt Schramm - Manier. Bloß keine Scheu vor dem Eigenlob! Sonst würden Goethe und Schiller und Gropius und Van de Velde und Nietzsche und wie sie alle heißen vielleicht auch wirklich die Balance zum Kippen bringen.
Kultur ist in Weimar überall!

 Ich glaube, Weimar selbst ist wirklich auf einem guten Weg. Aber die Landes- und Bundespolitik, so scheint mir, hat den Dreh noch nicht so ganz raus mit dem "Balance - Halten" zwischen Goethe, Schiller und Kurt Schramm. Das gilt übrigens nicht nur für Weimar ... aber es ist vielleicht auch nicht verwunderlich, denn eine Abkehr vom Denken in Schubladen, die gegeneinander gedacht werden. ( "Hochkultur" gegen "Soziokultur"), ist schwer. Das ist menschlich.
Zum Glück gibt es aber die Enthusiasten, die Verrückten, die Lebensliebhaber, die Querdenker, die Künstler, die Kunstliebhaber und die Idealisten auf allen Ebenen, die all ihr Herzblut und ihr Engagement in den Veränderungsprozess legen. Ich muss zugeben, ich zähle mich selbst auch dazu, was eines der Dinge ist, die Birgit Klaubert und mich sehr verbinden.

Deshalb war unser erster Termin an unserem KulturTAG am vergangenen Mittwoch zusammen mit Karola Stange und Dirk Möller auch so passend: DAS Jugendtheater e.V. im Stellwerk Weimar mit Frontfrau Kathrin Schremb verkörpert alles, was ich mit der "Kurt Schramm - Bewegung" meine. Das Stellwerk ist ein Kinder- und Jugendtheater und der Inbegriff einer kulturellen Bildungseinrichtung. Hier geht es nicht darum, Kinder und Jugendliche aufzubewahren und zu bespaßen. Klar, Spaß ist auch hier wichtig. Aber eben Spaß daran, sich selbst und seine Umgebung wahr zu nehmen,  zu entdecken, mit anderen in den Austausch zu treten und sich dabei auch im wahrsten Sinne des Wortes spielerisch mit Themen des Lebens auseinander zu setzen. Und ja, so auch ein eigenes kulturelles Verständnis zu entwickeln.
Klingt alles super und das ist es ja auch. Das sehen selbst die PolitikerInnen im Landtag und neuerdings auch im Bundestag so. In unzähligen Sonntagsreden wird die Wichtigkeit kultureller Bildung hervor gehoben und doch ändert sich an den Gegebenheiten nichts. In Thüringen heißt das konkret, es sind gleich zwei Ministerien auf verschiedene Art und Weise für die Einrichtungen der kulturellen Bildung zuständig. Im Sozialministerium wird es unter "sozialer Arbeit" geführt, im Kultusministerium werden Projekte und Personalstellen gefördert und bei ganz großem Glück gibt es auch noch etwas für die die, die Spielstätten vorhalten. Aber alles abhängig von vielen Faktoren, von Haushaltslagen und Richtlinien, die zumeist von Verwaltungsjuristen durchgesetzt werden. Und wenn die Kommunen noch Geld für diese freiwillige Leistung übrig haben, ist es ein Glücksfall. Daher ist natürlich die Forderung, dass kulturelle Bildung Pflichtaufgabe werden muss, mehr als verständlich! 

Bühne frei mit Kathrin Schremb

 Wir als LINKE sagen ja generell, dass Kultur Pflichtaufgabe sein muss, dass es als Staatsziel in die Verfassung gehört, weil es Grundrecht und Daseinsvorsorge gleichermaßen ist. Aber es ist eben auch nicht die Lösung, es einfach nur zu tun, ohne die Kommunen finanziell besser auszustatten. Deshalb braucht Thüringen ein Kulturfördergesetz mit transparenten und solidarischen Förderstrukturen. Projektförderungen, die nur ein Jahr Laufzeit haben und zu fast 50 Prozent aus bürokratischem Aufwand bestehen, sind nicht nur nicht nachhaltig in der Wirkung, sondern hemmen zum einen den künstlerischen Prozess und lassen zum anderen Existenzangst und Zukunftssorgen zum Alltag werden. Das kann es doch nun wirklich nicht sein. Daher müssen mehrjährige Projektförderungen zur Gewohnheit werden und man muss sich angucken,ob nicht auch ein gewisses Budget mehr Spielraum geben würde.Ich könnte jetzt weiternachen mit einer Diskussion zu instituioneller Förderung und solchen Sachen, aber das würde für heute wohl den Rahmen sprengen ...

Dass der Bund sich stärker für die Kultur einsetzen muss, sieht übrigens auch Weimars Stadtkulturdirektorin Julia Miehe so, die sich ganz kurzfristig für uns Zeit genommen hat. Frau Miehe weiß, wovon sie spricht, denn sie ist zum Glück keine reine Verwaltungsperson (nichts gegen Verwaltungsbeamte - nur vor allem in Bereichen wie z.B. Kultur, Bildung, Soziales usw. gehört m.E. eine große Portion Verständnis und auch Gefühl für die Materie dazu!). Frau Miehe ist auf Zack und im ständigen Dialog mit allen: mit KünstlerInnen, mit PolitikerInnen, mit übergeordneten Strukturen, mit anderen Städten, Regionen usw. Sie denkt groß, sie denkt voraus und scheint so verwurzelt in Weimars Kunst- und Kulturszene, dass ich mich ernsthaft frage, wann die Frau eigentlich mal schläft. ;-) Sie ist wahrlich ein Bindeglied zwischen Goethe, Schiller und Kurt Schramm, um mal beim Bild zu bleiben. Ich hoffe, sie bleibt Weimar noch sehr lange erhalten.

Neu in Weimar ist die Geschäftsstelle des Thüringer Kulturrates, auch neu ist der Geschäftsführer Jörg Dietrich, der sich ebenfalls für uns Zeit nahm und mit uns über das Selbstverständnis des Kulturrats unterhielt, der sich Vereinen beziehungsweise Verbänden der Thüringer Kulturszene zusammen setzt und demnach natürlich eine starke Lobby für die Forderungen der Kulturszene sein kann. Ich wünsche mir, dass der Kulturrat, der seit diesem Jahr auch erstmals vom Kultusministerium gefördert wird, zu einem ganz lauten Sprachrohr wird. Ich wünsche mir aber auch, dass die jeweiligen Kulturvereine, -verbände und -initiativen noch mehr Kraft und Stärke zusammen finden und nicht müde werden, ihre Erfahrungen und ihre Forderungen mit Pauken und Trompeten anzubringen. Ich weiß selbst, wie viel Arbeit das ist, aber als starke Partner in einer Interessengemeinschaft wird das sicher zu schaffen sein.

 Karola Stange, Dr. Birgit Klaubert und Dirk Möller
  

Die letzte Station des KulturTAGes in Weimar zeigte einmal mehr, dass Kultur Identität schafft. Dass Kultur Werte schafft, die eben nicht in Zahlen messbar sind. Der Brand der Herzogin Anna Amalia Bibliothek war eine unsagbare Tragödie, aus der aber viel Positives erwachsen ist, wie uns Dr. Knoche und Dr. Weber anschaulich machen konnten. Nicht nur, dass noch während des Brandes und in den Tagen danach, Bürgerinnen und Bürger aus Weimar wie selbstverständlich sich ja auch in Gefahr begaben und alles vor den Flammen zu retten versuchten. Auch die Spendenbereitschaft für die Restaurierung der wertvollen Zeitzeugnisse ist bis heute ungebrochen. Ich finde das atemberaubend, wirklich. Und es freut mich unendlich, weil es zeigt, dass Bibliotheken und andere Kultur - und Bildungseinrichtungen eben nicht nur einfach da im Weg herumstehen, sondern für die Menschen einen Teil ihrer Lebensqualität ausmachen. Wenn das nicht der allerbeste Ansatz ist, das kulturelle Verständnis auch im politischen und verwaltungstechnischen Sinne umzusetzen, dann weiß ich's man auch nicht.
Dr. Weber erzählte uns auch sehr viel über die neu entwickelten Verfahrensweisen zur Restauration der Bücher und demnach auch über den immensen Forschungsfortschritt auf diesem Gebiet. Restaurierte Bücher in der Hand zu halten ist übrigens ein fast unbeschreibliches Gefühl, denn man sieht noch Brandrückstände, man sieht noch das Löschwasser, das sich für immer in die teils pulverisierten Seiten gebrannt hat. Ich weiß gar nicht, wie ich es anders beschreiben soll, aber ich hatte das Gefühl, einem einmaligen Moment beizuwohnen. So beeindruckend war es.
Mit Filzpantoffeln ging es dann in den rekonstruierten Rokokosaal. Das sieht man oben auf dem Bild. Nicht den Saal, aber die Filzpantoffeln. Der Saal selbst ist ehrwürdig und man kann es sich kaum vorstellen, dass dort vor knapp 10 Jahren mit einem Mal alles in Schutt und Asche lag. Ich weiß, dass Birgit damals kurz nach dem Brand das zerstörte Gebäude besichtigt hat. Ich kann nur erahnen, wie es ihr bei diesem Anblick ergangen sein muss.

Da die Zeit leider dann zu knapp wurde, konnten wir das Studienzentrum leider nicht mehr besichtigen, aber  das wäre sicher eine großartige auswärtige Sitzung des Ressort "Kultur und Jugend" der Landtagsfraktion wert. Schließlich gibt es auch Kooperationen mit Schulen, internationale Seminare, Weiterbildungen für Lehrerinnen und Lehrer. Birgit und Dirk haben da schon einen Plan und ich freue mich auf eine möglichst baldige Rückkehr an diesen tollen Ort.

Ich könnte noch so viel mehr sagen, so viele Eindrücke versuchen in Worte zu fassen ... so oft war ich schon in Weimar und doch kann man es immer wieder neu entdecken. Ich entschuldige mich gleich mal bei der geneigten Leserschaft für meine sinnierende Grundhaltung, aber es gibt viel zu denken und es gibt noch mehr zu tun - auf allen Ebenen!

In diesem Sinne: möge Kurt Schramm in uns allen wohnen und Hand in Hand mit Goethe und Schiller gehen wollen!

Ein schönes Wochenende wünscht
Katinka Mitteldorf

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