Anlässlich der Umbenennung des Fraktionssitzungssaals der Linksfraktion im Thüringer Landtag würdigte Birgit Klaubert die Person Käte Duncker und zeichnete für alle Anwesenden ihren von Brüchen geprägten Lebensweg nach.
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(c) Fraktion DIE LINKE. im Thüringer Landtag |
Dr. Birgit Klaubert:
Warum
wir unseren Fraktionssitzungsraum nach Käte Duncker benennen
Käte Dunker wurde am 23. Mai
1871 im badischen Lörrach geboren. Ihr Vater, ein Kaufmann, war früh verstorben.
Käte Doell, wie sie damals hieß, war erst fünfeinhalb Jahre alt und kurze Zeit
später zog ihre Mutter mit ihr in das thüringische Friedrichroda. Im Sommer
1877 eröffnete Paula Doell in der dortigen
Gartenstraße 10 eine Pension, um mit deren Erträgnissen den Unterhalt für sich
und ihr Kind bestreiten zu können. Käte besuchte die Volks- und Höhere
Töchterschule von 1876 bis 1886. Insbesondere unter dem Einfluss ihrer Lehrerin
Lina Langhans wuchs in dem jungen Mädchen der Wunsch, Lehrerin zu werden.
Diesen Berufswunsch zu verwirklichen, war zu diesem Zeitpunkt nicht so einfach
wie heute, er galt als eher eigenwillige Entscheidung, die sich nur gegen
Widerstände durchsetzen ließ.
Käte schrieb selbst dazu:
„Nach hartem Kampf mit Vormund und Familie gelang es mir, Lehrerin zu werden.“ (aus
einem zusammengestellten Lebenslauf aus der Edition des Briefwechsels zwischen
Käte und Hermann Dunker (1894 -1914), der 2014 im Karl Dietz Verlag Berlin
herausgegeben wurde)
Nach einem Jahr an der
Hauswirtschaftsschule in Gotha begann 1888 in Eisenach die Ausbildung am
Lehrerinnenseminar und bereits 1890, sie war gerade 19jährig, ihre Tätigkeit
als Lehrerin an der Mädchenschule in Friedrichroda.
Sie selbst urteilt über
diese Zeit:
„Es herrscht in unserem
Ländchen ein liberaler Ton, und die Lehrerverhältnisse gelten seit langem als
sehr gut, d.h. nicht gerade was die Gehälter betrifft, aber in Bezug auf
Vorbildung und Geist.“ (1)
Später, 1897, wird sie an
ihren Verlobten Hermann Duncker schreiben: „Was sagst Du dazu, dass ein
Schuldirektor öffentlich auftritt gegen den modernen ‚Mordspatriotismus’, wie
ihn Geschichtsunterricht und Lesebuch pflegen? Gegen die ‚herrlichen’ Kriegs- und so genannten
Volkslieder, gegen den Sedanschwindel, kurz gegen all das, was man eigentlich
heute ‚Pflege des Patriotismus’ nennt? Ich muss gestehen, ich war starr vor
Staunen.“ (2)
Die Zeit in Thüringen,
namentlich in Friedrichroda und Eisenach prägten das soziale Engagement und die
sozialistisch-humanistische Überzeugung unserer Namensgeberin Käte Duncker
deutlich, wenngleich sie bereits 1893 nach Leipzig wechselte. Dort hörte sie
zum ersten Mal ein Referat von Clara Zetkin und kam mit der Arbeiterbewegung in
Berührung. Sie unterrichtete nunmehr auch in Abendkursen des Leipziger
Arbeiterbildungsvereins. Und „wegen ihrer sozialistischen Gesinnung“ verlor sie
ihre Lehrerinnenstelle. Sie ging nach Hamburg und aufgrund ihres Engagements für die großen
Hafenarbeiterstreiks 1896/97 fand auch diese Anstellung ihr politisches Ende.
Im Sommer 1898 heiratete
Käte den damaligen Studenten der Volkswirtschaftslehre Hermann Duncker. Von nun
an war sie vorwiegend in der Erwachsenenbildung in Arbeiterbildungs-, Frauen-
und Jugendkursen in Leipzig, Dresden, Stuttgart und Berlin tätig.
Die Situation im Deutschland
jener Zeit gestattete es nicht, dass eine verheiratete Lehrerin, die noch dazu
Mitglied der sozialdemokratischen Partei war, eine Anstellung im Schulsystem
bekam. Das alles spielte sich vor dem Hintergrund dessen ab, dass die Deutsche
Reichsvereinsgesetzgebung den Frauen bis 1908 politische Tätigkeit untersagte
und offiziell erst ab 1908 den Frauen der Eintritt in die Sozialdemokratische
Partei gestattet war.
Der Abschied von den Kindern
fiel schwer, hatte doch Käte hart darum gekämpft, die Ausbildung als Lehrerin
absolvieren zu dürfen.
Käte Duncker engagierte sich
nun zunehmend in der proletarischen Frauenbewegung. 1899 beschäftigte sie sich
mit der Frage der Beteiligung der Frauen
an der Erwerbstätigkeit und kam zum Schluss, dass sich durch die
Industrialisierung die Frauenerwerbstätigkeit ausdehnen wird und es nicht darum
gehen kann, die Berufstätigkeit der Frauen einzuschränken.
Es ginge vielmehr um
Aufklärung und Organisation und namentlich an die Gewerkschaften gerichtet,
forderte sie. „Die Gewerkschaften müssen in den Frauen sicheres Selbstvertrauen
und den Stolz der Arbeit großziehen. Eine gesunde Entwicklung der Frauenarbeit
wird allein erstrebt mit der Forderung: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!“ (3) Diese Forderung war weder in der
Sozialdemokratie noch in den Gewerkschaften unumstritten, aktuelle Bezüge gibt
es auch zur heutigen Situation.
Käte Duncker rang ständig um
die Wissensvermittlung und Diskussion gesellschaftlicher Themen, lud in ihre
Wohnung zu Diskussionsabenden ein. Immer wieder ging es um die Schulung von Frauen
und Jugendlichen, um die Bildung als Voraussetzung und Antrieb für
gesellschaftliche Veränderung.
1907 ging Käte Duncker nach
Stuttgart, wo sie bis 1908 an der Seite Clara Zetkins 2. Redakteurin der
Frauenzeitschrift „Die Gleichheit“ wurde und deren Beilagen „Für unsere Kinder“
und „Für unsere Mütter und Hausfrauen“ betreute.
Ihre Ausbildung und ihre
Fähigkeiten als Lehrerin und ihre Liebe zu diesem Beruf waren für diese
Tätigkeit besonders nützlich.
Doch inzwischen hatte Käte
selbst drei Kinder geboren, Hedwig 1899, Karl 1903 und Wolfgang 1909.
Hermann Duncker war oft im
Auftrag der sozialdemokratischen Partei unterwegs, lehrte an den verschiedenen
Orten Deutschlands und konnte nur wenig Stütze sein für die Familie. Käte
schrieb an ihn: „Ach Alter, Du fehlst mir doch schrecklich an allen Enden. Bald
möchte ich Deinen Rat, bald möchte ich Dich schimpfen,…, bald möchte ich mich
bei Dir ausheulen, bald irgendetwas diskutieren. Wir sind halt doch bös
verwachsen miteinander. Das ist nicht gut für Leute, die immer so lange
getrennt sein sollen.“ (4)
1912 siedelte die Familie
gemeinsam nach Berlin. Doch der Krieg riss die Familie wieder auseinander. Käte
und Herrmann Duncker traten entschieden gegen die Kriegskredite und die
Kreditbefürworter in ihrer Partei ein.
Käte Duncker koordinierte
während der Kriegsjahre zusammen mit Leo Jogiches von Berlin aus die
Aktivitäten der Gruppe Internationale/Spartakus für die Beendigung des
Völkermordens und einschneidende gesellschaftliche Veränderungen. Als nach der Novemberrevolution die KPD
gegründet wurde, gehörten Käte und Hermann Duncker zu deren ersten Mitgliedern.
Nach der Ermordung von Rosa
Luxemburg und Karl Liebknecht wurde auch Käte kurzzeitig verhaftet, danach
verbarg sie sich in Leipzig, um von dort zu ihren beiden Söhnen nach Dänemark
zu reisen, die bei Freunden untergekommen waren. Bis Herbst 1919 hielt sich
Käte dann in Schweden auf. Die Anstrengungen während der Kriegsjahre hatten
tiefe Spuren hinterlassen. Sie fühlte sich um Jahre gealtert.
Als Käte Duncker wieder nach
Deutschland zurückkehrte, setzte sie große Hoffnung auf Arbeit und Auskommen in
Thüringen. In Gotha-Siebleben wurde der Familie eine Wohnung zugewiesen. Doch als
Käte ihre Wohnung Anfang 1920 einrichtete, putschten Kapp und Lüttwitz, marschierte
die Reichswehr in Thüringen, mordeten und brandschatzten die Marburger
Freicorpsbanden. Kurze Zeit später stellte die linke Gothaer Regierung ihre
Tätigkeit ein. Bei dieser war Hermann als Sekretär angestellt gewesen, nun
musste er sein Wanderlehrerdasein wieder aufnehmen. Die Hoffnung auf
Gemeinsamkeit war dahin und die Last auf Kätes Schultern war unermesslich. Kurz
vor ihrem 25. Hochzeitstag schrieb sie verzweifelt: „Meine Kräfte sind absolut
am Ende, und ich leide weiß der Himmel schwer genug darunter, dass die
Arbeitslast, eben das, was absolut gemacht werden muss, keinen Augenblick zum
Besinnen, zur Lebensfreude, zum freundlichen Eingehen auf den anderen lässt…“
(5)
Im Spätsommer 1921 wurde
Käte Duncker von ihrer Partei aufgefordert, für den Thüringer Landtag zu
kandidieren.
Um ihre Kandidatur gab es
Querelen, die Käte Duncker „als nicht besonders würdig“ bezeichnete und sie
verzichtete zunächst auf ihr Mandat. Doch Anfang Dezember zog sie als
Nachrückerin in den Thüringer Landtag ein. Sie war inzwischen 50 Jahre alt und
gewissermaßen alleinstehende Mutter mit Wohnung in Gotha-Siebleben, deren
Unterhaltung sich als schwierig erwiesen hatte.
Käte Duncker nahm dieses
Mandat sehr ernst, bemühte sich, die Fragen des Kinderelends im Landtag zu thematisieren.
Und hier erschlossen sich wieder die Prägungen ihrer Lehr- und Lehrerinnenzeit
in Eisenach und Friedrichroda. Es ging ihr darum, nahrhafte Schulspeisung,
Kinderkrippen und Kinderhorte einzuführen und die Volksbildung zu verbessern.
Käte Duncker war begeistert vom Konzept der Maria Montessori und kümmerte sich
um Fachkräfte für die pädagogische Ausbildung.
Neben dieser
parlamentarischen Tätigkeit musste sie endlose zentrale und regionale
Parteikonferenzen bestreiten; die Sitzungstätigkeit war anstrengend und
bescherte ihr zum Teil mehrtägige Arbeitsunfähigkeit.
Und hinzu kam das weitere
Arbeiten mit ihren „Weibern“ auf Frauenversammlungen im ganzen Land. Diese
Veranstaltungen brauchte sie, in ihren Briefen gibt sie Auskunft über die
Lebhaftigkeit der Diskussionen.
Als 1923 eine
Arbeiterregierung unter Beteiligung der Kommunistischen Partei Realität wurde,
hatte Käte Duncker weniger grundsätzliche Bedenken gegen diese Entwicklung,
doch sie verwahrte sich gegen den „Kuhhandel“ um Ministerposten und dagegen,
wie durch die Bezirksleitung der KPD Niederlagen in Siege umgedeutet wurden.
Schon unter Ausnahmegesetz
im November 1923 hielt Käte Duncker ihre letzte Landtagsrede, die sinngemäß
damit endet, dass die Überlegungen zum Verbot der kommunistischen Partei nicht
deren Idee vernichtet werden. Kurze Zeit später wurde der Landtag aufgelöst.
Für die nächste Wahlperiode wurde Käte
Duncker nicht wieder nominieret.
Knapp 30 Jahre später
erinnerte sich Käte Duncker mit folgenden Worten an diese Zeit:
„Und das Schicksal wollte
es, dass ich dabei war, als aus den kleinen Vaterländern um den Thüringer Wald
herum das Land Thüringen geschaffen wurde- nämlich als Abgeordnete des zweiten
Thüringer Landtags zwischen 1921 und 1923.“ (6)
Kätes Weg führte sie von Thüringen
wieder nach Berlin, erneut nahm sie ihre Kursarbeit auf, war für die Partei
tätig und geriet zunehmend in Dissens mit deren Führung. Ab 1933 kämpfte sie um
die Befreiung ihres Mannes, was ihr 1935 auch gelang und entschied sich doch wieder
und nun aber ein letztes Mal nach Thüringen umzusiedeln. In Friedrichroda
übernahm sie die Pension ihrer Mutter, die 1929 verstorben und auf dem
städtischen Friedhof in Friedrichroda beigesetzt worden war. Hier sollte auch
Käte Duncker 1953 ihre letzte Ruhestätte finden und mit ihr Sohn Karl.
Ein Besuch bei diesem in den
Vereinigten Staaten führte sie allerdings 1939 nach Pennsylvania und von dort an
verschiedene Orte in den USA. 1941 erreichte auch Hermann Duncker über Paris
ihren Aufenthaltsort.
1947 kehrte das Ehepaar nach
Deutschland zurück, freiwillig und in der Hoffnung, dass sie und ihr Mann ihre
letzten Jahre „in den Dienst der Demokratisierung, Sozialisierung und
Humanisierung Deutschlands“ stellen können. 1952 schrieb sie an eine Freundin
in den USA: „Ich habe einen langen Zeitabschnitt menschlicher Entwicklung
erlebt. Ich sehe nur ein Ziel: den Sieg des Sozialismus.“ (7)
Käte Duncker starb drei
Monate vor der Vollendung ihres 82. Lebensjahres am 2. Mai 1953.
Vieles könnte noch aus ihrem
Leben berichtet werden und die heutige Namensgebung sollte uns alle dazu
anregen, genauer den einen oder anderen Abschnitt des Lebens einer Frau zu
betrachten, in welchem es so viele Berührungen zur heutigen Zeit gibt.
Ich selbst habe für diese
Worte meine Dissertation wieder einmal in die Hand genommen, in der es um die
Organisation von Arbeiterinnen in den Gewerkschaften und der Sozialdemokratie
geht und in der natürlich auch Käte Duncker mit ihrer Forderung nach wahrer
Gleichberechtigung der Frauen vorkommt.
Ich danke Heinz Deutschland
dafür, dass er so viel Material aus seiner langen Forschungsarbeit zur
Verfügung stellte und es insbesondere mit seinem Aufsatz „Lehrerin und
Abgeordnete“ leichter machte, in so kurzer Zeit das Lebenswerk unserer
Namensgeberin zu beleuchten.
Mit dem heutigen Tag wird
sie einen deutlich sichtbaren Platz im Thüringer Landtag der Gegenwart erhalten.
Erfurt, den 16. Oktober 2013
Quellenangabe:
Heinz Deutschland: Lehrerin
und Abgeordnete: Käte Duncker (1871-1953)
in: Mario Hesselbarth/
Eberhart Schulz/ Manfred Weißbecker (Hrsg.):
Gelebte Ideen: Sozialisten
in Thüringen. Biographische Skizzen, Jena,2006, in der Reihenfolge der Zitate
(1), S. 124
(2), S. 124
(4), S. 125
(5), S. 127
(6), S. 132
(7), S. 133
Käte Duncker: Über die
Beteiligung des weiblichen Geschlechts an der Erwerbstätigkeit, Hamburg, 1899,
Zitat (3), S. 8
Birgit Klaubert: Das Ringen
der freien Gewerkschaften Deutschlands um die Organisierung der Arbeiterinnen
von 1896 bis zum Ausbruch des 1. Weltkriegs, Leipzig, 1986